Sicherheitstraining bei Dani Loritz


Dani ‚oder’ Loritz holt aus den Teilnehmern des Sicherheitstrainings über dem Walensee so ziemlich alles raus was nur geht. Dabei bringt er jeden Piloten an seine ganz persönliche Grenze! Widerstand ist relativ zwecklos…

Samstag morgen, 8 Uhr Briefing. Vorstellungsrunde direkt am See. Dani Loritz sitzt in seinem Gurtzeug und hört sich 15 Antworten auf die Fragen „Wer bist Du?“, „Was kannst Du?“ und „Was erwartest Du Dir von diesem Training?“ an? Ein üblicher Einstieg, doch als Dani das Wort ergreift beginne ich zu ahnen, dass er mit dieser Art der Vorstellung nicht viel anfangen kann. Dani merkt sich nicht einen Namen, nicht ein Gesicht. Er stellt uns sein ‚Standartprogramm’ vor und ermutigt uns vor jedem Flug Wünsche an den Startleiter zu äußern. Aber selbst das ‚Standartprogramm’ würde ein DHV-Zertifikat niemals bestehen! Kurz und knackig reißt der Schirmdesigner alle bevorstehenden Manöver ab: „Erst ziehst Du richtig offensiv den Tragegurt runter, dann läßt Du ihn wegdrehen und nach einer Umdrehung gehst Du auf die Bremse. Der Schirm dreht schnell und wenn Du bremst wird er langsamer, ist doch super, oder?“ Danis „…oder?“ werden wir ungefähr genauso oft zu hören bekommen, wie seine Ermutigung “offensiver!“.

Mir raucht der Kopf. Drei Flüge stehen mir heute bevor, drei weitere folgen morgen und für jeden Flug wurden 2 bis 3 Manöver erklärt. Ich bin nervös, angesichts der teils heftigen Flugzustände, die mich erwarten und habe Probleme mir die Reihenfolge zu merken, geschweige denn die richtige Ausführung. Im Kleinbus, der uns für 10 Franken! an den Startplatz fährt, stelle ich fest, dass es nicht nur mir so geht. Aber die Manöver wurden nicht nur besprochen, vielmehr turnte Dani sie während seines anderhalbstündigen Vortrags unentwegt in seinem an Tragegurten hängenden Gurtzeug vor. In der Luft sollte sich zeigen, dass ich die Bewegungsabläufe dadurch sehr viel schneller abrufen konnte als ich gedacht hätte.

Am Startplatz wird zügig ausgelegt und rausgestartet. Die Nervosität macht sich bermerkbar, der erste Pilot hängt sich souverän in einen Baum vor dem Startfenster und ist erst mal beschäftigt. Die anderen starten. Der Startleiter übermittelt Dani per Funk nach jedem Start Name und Schirm, bei mir folgt diesen Angaben noch das Wort „Standart“. Als ich über dem See bin, nimmt Dani Kontakt mit mir auf. Ich solle mich im Gurtzeug nach hinten lehnen und einen Kopfstand zu machen, Kopf nach unten, Beine nach oben. „Super!“ Dann soll ich mich rhythmisch von den Gurten abdrücken, bis ich mich eintwiste. Während ich diese kleinen Mutproben hinter mich bringe, dämmert mir, dass nun die eigentliche Vorstellungsrunde begonnen hat. Dani sieht einen Schirm und ein Pilotenverhalten darunter und dieses Bild brennt sich bei ihm ein. Er wird bis zum Ende des Kurses Probleme mit den Namen und den Gesichtern haben, aber sobald ein Schirm-Piloten-Gespann über das Wasser fliegt, wird Dani wesentlich mehr über dieses Gespann wissen, als der betreffende Pilot.  Auch das einfache Ohrenanlegen dient nur dem Warmup.

Dann folgt Nicken. Ich bin ein wenig überrascht, als Dani als Ziel dieses Manövers einen Frontklapper angibt. Ich lasse den Schirm pendeln, scheinbar nicht mit vollem Bremseinsatz. Der Schirm klappt nicht.
Irgendwie bin ich froh darüber. Dani nicht. „Wenn das so nicht funktioniert, müssen wir den Frontklapper halt anders einleiten“, dröhnt es aus dem Funk. Ich solle alle A-Gurte kräftig runter ziehen. Uff. Ich schließe die Augen und überwinde mich. Zack! Rein, raus.

Richtig zufrieden ist Dani immer noch nicht, aber er geht zum nächsten Manöver über. Große Ohren. Kling einfach, statt eine Leine pro Seite 2 Leinen pro Seite runter ziehen. Vorher den Beschleuniger halb durchtreten. Beim Briefing bekam das Mädel mit ihrem Nova Rookie große Augen. Ihr Schirm hat nur 4 A-Leinen. Ich folge den Anweisungen, die Kappe kollabiert, das Ergebnis ist ein weiterer Frontklapper. Dani brüllt ich solle den Beschleuniger nun voll durchtreten. Ich überwinde meinen Reflex die Leinen wieder frei zu geben, schiebe den Gedanken „der hat sie doch nicht alle!“ beiseite und trete voll durch. In der Mitte meines Schirms öffnen sich einzelne Zellen und ich sinke mit sehr großen Ohren. „Ausleiten, war doch super!“ Dani scheint zu wissen was er tut.

So, nun soll ich Richtung Landeplatz fliegen und dabei den Stallpunkt ertasten. Der Bremsdruck wird härter, plötzlich weich und das Funk brüllt: „Hände hoch!“ Super, ab zum Landen. Als Kontrollfreak gefällt mir dieses Manöver, der Stallpunkt ist auf den Millimeter genau zu spüren.

Zweiter Flug. Noch mal kurz ein Frontstall und dann geht es an die Klapper. Schön offensiv, bitteschön! Wir wissen beide, wieso er mir das in meinen Helm flüstert. Für mich besteht die große Überwindung bei diesem Training vor allem in der Einleitung der Manöver. Mein ganzes Fliegerleben bin ich bemüht die Kappe durch einen aktiven Flugstil stabil über mir zu halten. An diesem Wochenende soll ich diesen Zustand durch aktives Eingreifen plötzlich zerstören. Das ist neu. Die ersten Klapper fallen daher etwas klein aus. Klapper mit sofortigem Gegensteuern fallen mir sehr leicht, da greift der antrainierte Automatismus.

Echte Überwindung kostet mich der Klapper nach DHV. Einen Tragegurt kräftig runter ziehen und… nichts machen. Nach zahlreichen Jahren aktivem Fliegen fühlt sich ‚Nichts machen’ ziemlich blöd an. Aber irgendwann kann ich meine Hände davon überzeugen einfach mal oben zu bleiben. Das Ergebnis ist überschaubar.

Dritter Flug. Nochmal Klapper. „Da war noch nicht genug Dymanik zu sehen, schließlich willst du den Schirm kennen lernen“, beschwört mich das Funk. Ein gehaltener Klapper steht auf dem Programm. ‚Tragegurt schön kräftig runter ziehen, halten und warten bis der Schirm richtig Fahrt aufnimmt und erst auf Komando eingreifen.“ Für diese Herausforderung benötige ich sage und schreibe drei Versuche. Beim ersten Mal gehe ich nach einer Umdrehung reflexartig auf die Bremse. Dani is not amused!

Beim zweiten Versuch geht der Schirm auf die Nase und nach einer Umdrehung lasse ich reflexartig den Tragegurt los. Die Dynamik läßt schlagartig nach. Dani wird ungeduldig und zeigt mir, dass ich keine Chance habe diesem Manöver zu entgehen. „In der Praxis geht ein Verhänger auch nicht einfach wieder auf! Jetzt machen wir das ganze noch mal, tritt den Beschleuniger mal voll durch!“
Meinen ersten beschleunigten Klapper soll ich also gleich halten und anspiralen lassen. Die Dynamik überrascht mich ein wenig. Vor lauter Schreck bleibe ich eine volle Umdrehung im Beschleuniger stehen – peinlich. Nach einigen Umdrehungen und zweimaligem Wickeln fliegt mein Rush aber wieder geradeaus.

Dani freut sich. „Yea, das ist dynamisch!“ Und ich muss gestehen, es fühlt sich richtig gut an schuld daran zu sein, dass die Kiste nun wieder geradeaus fliegt. Das anschließende Erfliegen des Stallpunktes macht mir keine Probleme mehr.

Vierter Flug – Fullstall. Wow! Die Ausleitung gelingt ohne Probleme, das erwartete Vorschiessen meines High-End 1-2ers fällt eher mäßig aus. Nur an der Beinhaltung muss ich dringend arbeiten.

Dann vrille ich ein wenig mit langsamem Schirm. Beide Bremsen auf 30 % und eine Bremse voll durch. Ein wenig drehen lassen und dann stallen. Meine Beinhaltung wird mir zum Verhängnis, ich vertwiste mich. Vertwistet im Fullstall zu hängen kostet mich nerven. Danis Funkanweisung ignorieren den Umstand dass ich eingedreht fliege völlig. Das hat zwar seinen Grund, macht mich aber noch nervöser. „Sieht der was hier abgeht?“, frage ich mich. Mein Blick geht zur Kappe und dann zur Rettung. Doch plötzlich gären Gedanken in mir, die dem defensiven Piloten in mir die Brust schwellen lassen: „Das ist ein Sicherheitstraining! Unter mir ist Wasser. Ein Boot wartet. Ich habe die Rettung vor wenigen Tagen gepackt weiß daher, dass 100m Höhe zum Auslösen reichen sollten. Eigentlich habe ich noch ganz schön viel Zeit mir die Sache hier einmal genauer anzusehen.“ Ich starre auf das Leinenknäuel vor mir. Die Bremsen bewegen sich zwar etwas schwergängig, aber mit ein wenig Gewichtsverlagerung von links nach rechts kann ich sie stückchenweise freigeben. Die Ausleitung gelingt zwar nicht ganz symmetrisch, aber als sich der Schirm streckt, twistet er mich wieder aus. Hurra.

Der letzte Flug ist der Bonusflug. Dani ermutigt uns dazu uns Manöver zu wünschen. Mein Flug fällt realtiv human aus, Spirale, Wingover und B-Stall. B-Stall deshalb, weil ich mit meinem Schirm noch nie einen geflogen bin. Das Ergebnis überrascht aber nicht sonderlich.

Auch am Abend des zweiten Tages erfolgt die obligatorische Videoanalyse. Fast alle Manöver werden angeschaut und kurz besprochen. Bei gravierenden Fehlern fällt die Besprechung länger aus, bei Acromanövern lange und sehr detailiert. Meine Manöver waren sowohl Dani als auch der Gruppe scheinbar zu defensiv, um Aufmerksamkeit zu erregen. Da der DHV diesem Sicherheitstraining bisher noch keinen Stempel aufdrücken konnte, steht am Walensee vor allem Acrotraining auf dem Programm. SAT, Heli, asymmetrische Spirale, etc. der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt und das Standartprogramm von Dani Loritz kann sowohl im Zweitagestraining als auch im Viertragestraining beliebig erweitert werden. Dem letzten Debriefing folgt ein persönliches Feedback. Bei mir sei „nach oben noch viel Luft“ und ich könne „ruhig etwas offensiver fliegen“.

Die Kompaktheit der Flüge bringt überraschenderweise eine gewisse Leichtigkeit ins Spiel. Dani drückt so viele Manöver in jeden Flug wie nur möglich. Dadurch ist man gezwungen jedes Manöver schnell zu verdauen und sich auf das Nächste zu konzentrieren. Frei nach dem Motto nach dem Klapper ist vor dem Klappper. Und meiner Meinung nach klappt das hervorragend. Wer die Grenzen seines Schirms und seiner Selbst kennen lernen möchte, der ist bei Dani Loritz an der richtigen Adresse. Sehr ‚defensive‘ Piloten die Wert auf eine langsame Hinführung zu den Manövern legen, könnten mit dem Tempo fast ein wenig überfordert sein. Aber das wären sie im Ernstfall dann wahrscheinlich auch.

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3 Antworten zu “Sicherheitstraining bei Dani Loritz”

  1. silberrücken sagt:

    Endlich mal wieder ein Beitrag von Calle ! und dann son`dymnamischer !
    nur an der Beinhaltung bei der Vrille muß noch gearbeitet werden ,vielleicht mal die Beine unterm Sitzbrett zusammenbinden?(schöner Artikel und interessante Videos)

  2. moritzwillfliegen » Sicherheitstraining sagt:

    […] von “entflogen” hat einen super Bericht über sein Sicherheitstraining verfasst. Da wurde mir ganz anders… Aber da habe ich noch […]

  3. Uli sagt:

    Super Beitrag, Danke!

    Wenn alle Dich zu defensiv fanden, ich find das Programm recht heftig!
    Zumindes Verglichen zu dem Kram, den ich bisher kennengelernt hab.

    Das war aber nicht der erste SiKU, oder?

    Muss mich noch mal zu einem Kurs überwinden.

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